Tag 7 (07.06.2022): Von Guovdageaidnu nach Hetta

Tageskilometer: 77,09 Km

Tageshöhenmeter: 476 Hm

Gesamtkilometer: 444,99 Km

Gesamthöhenmeter: 4.184 Hm

Gesamtkilometer Schiff: 47,60 Km

 

Der Morgen begrüßt mich mit strahlendem Sonnenschein, mit einem strahlenden Lächeln von Nils und einem Frühstück für 6 Personen. Es ist alles dabei, was das Herz begehrt: Vollkornbrot, verschiedene Wurst- und Käsesorten, Gurken- und Tomatenscheiben, Butter, Marmelade, Cerealien, Milchkaffee und Rentierchips - alles richtig lecker.

 

Wir plaudern wieder und er erzählt mir, dass er vier Kinder hat, 3 Söhne und eine Tochter. Der älteste Sohn ist gestern von einem Schüleraustausch aus Frankreich zurückgekommen. Meine Schätzung, dass Nils 30 Jahre jung ist kann somit nicht stimmen. Der Sohn, mit dem ich mich gestern so gut unterhalten hatte und auf 10 Jahre geschätzt habe, ist in Wirklichkeit 14 Jahre. Irgendwas muss hier in der Luft sein, dass die alle so verdammt jung und gut aussehen - oder sie bewegen sich einfach viel draußen in der frischen Luft!

 

Nils erzählt mir, dass die ganze Familie teilweise mehrtägige Jagd- und Angelausflüge unternimmt. Dabei fahren Sie mit mehreren Quads - es stehen drei auf dem Hof, eines davon ein sechsrädriges mit großem Stauraum - in den Fjäll und bauen ihr Samizelt auf. Die Kinder freuen sich immer riesig, weil es im Zelt Buffetessen mit allem Drum und Dran gibt.

 

Er erzählt weiter, dass es bei Tieren für ihn nur zwei Dinge gibt. Zum einen ist es seiner Meinung nach das Recht eines jeden Tieres,  ein glückliches Leben führen dürfen, und zum anderen, dass es mit einem gezielten Schuss getötet werden muss - basta! Ich stimme ihm voll und ganz zu.

 

Nils wird trotz seiner Freundlichkeit etwas ernst. Er erzählt mir, dass auch den Kleinsten schon beigebracht wird, dass Waffen sehr gefährlich sind, dass sie niemals auf Menschen gerichtet werden dürfen und nur zum Töten eines Tieres benutzt werden dürfen.

 

Ich frage Nils noch, was er so arbeitet. Er ist in einer Kommunalschule verantwortlich für die gesamte Lehrmittelausstattung. D. h. er ist für die Schulbücher, für die Sportausrüstung, für das digitale Equipment und die Einweisung der Schüler zuständig. Auch weist er ältere Lehrer in neue elektronische Systeme ein, wenn sie sich mit dem Fortschritt etwas schwer tun. Ich denke mir nur: "Hallo Deutschland - Aufwachen!"

 

Zu guter Letzt frage ich Nils noch, was der Hotelname "Goldin" bedeutet. Er meint Godin ist Sami und bedeutet Wohlbehagen, etwas sammeln, was einem guttut. Es gibt viele Plätze in der nähe, die "Goldin" sind. Wenn es einem mal nicht so gut geht, geht man zu einem Goldin, und dann ist alles wieder fein.

 

Nachdem ich abreisefertig bin, verabschiede ich mich von Nils und Anne Laila. Sie zeigen mir, dass sie sich meine Website im Google Chrome mit dem Translator ins Norwegische übersetzen ließen und sie jetzt alles sehr gut verstehen können, was ich mache. Anne Laila sagt mir, dass sie gestern bereits per Banking-App die versprochene Spende an die Stiftung Chirurgie TU München veranlasst hat. Sie entschuldigt sich, dass die Überweisung laut ihrer App bis zu 10 Tagen dauern kann - unglaublich!

 

Wir verabschieden uns herzlich und Nils erneuert nochmals seine Einladung, im April zum Snowmobil fahren zu kommen.

 

Also, meine Lieben, das Hotel Goldin ist eine ganz klare Empfehlung mit zwei Daumen nach oben.


Nachdem ich aus der Hofausfahrt gefahren bin, sagt mir das Navi: "Folge der Straße 73 Kilometer." Also tue ich das. Die Landschaft bleibt wie sie bisher schon war; Wälder, Seen, nicht enden wollende Straßen. Nach zwei Stunden fahre ich auf einen Parkplatz, um eine Riegel- und Trinkpause einzulegen. Da bimmelt auf einmal mein Smartphone. Mein Freund Werner ist dran. Wir machen wie immer unsere Witze und ich erzähle etwas von meiner Reise, obwohl er eh jeden Tag meinen Blog liest. Dann jammert er, dass das Wetter schlecht wäre in München und er gerade über den Formularen des Zensus 2022 sitzt. Ich sage scherzhaft zu ihm, er solle mich mit seinen weltlichen Behördenproblemen in Ruhe lassen. Wir lachen beide. Da wusste ich allerdings nicht, dass mich 5 Kilometer später genau so ein Behördenproblem einholen sollte.


Ich komme an die norwegisch-finnische Grenze. Der Grenzübergang und die gleichnamige Zollstation heißen Kivilompolo. Bei dem Typen auf dem Schild, werde ich erstmal vorsichtig sein. Anscheinend laufen hier Keulenmänner in Badehosen rum. Von da aus sind es nur noch 35 Kilometer bis zu meinem heutigen Etappenziel Hetta.

 

Als braver Bürger fahre ich sofort zum Zollgebäude, trete ein und erkläre einer adretten ca. 60-jährigen Zollbeamtin (Könnte natürlich auch älter sein, als sie aussieht, nachdem die hier alle so verdammt jung aussehen.), dass ich mein Fahrrad und den Anhänger wieder in der EU anmelden möchte. Sie scannt den entsprechenden Barcode von meiner Ausfuhrzollerklärung des deutschen Zolls, findet die Registrierung der Ausfuhr und fragt mich, wo die Exportbescheinigung von Norwegen nach Deutschland und das entsprechende Transit-Dokument T1 sei. Ich sage ihr, dass ich nicht mehr habe. Sie sagt mir: "That's a problem!" Auf meine Frage, ob ich jetzt nicht weiterfahren darf, antwortet sie freundlich aber bestimmt mit einem Ja. Die adrette Zollbeamtin ist sehr hilfsbereit, wie alle hier im hohen Norden. Sie sucht mir die Nummer des norwegischen Zolls in Oslo raus, der diese Dokumente rüberschicken müsse. Ich telefoniere mit einem Mitarbeiter dort. Er schickt ein Dokument, aber nicht die Exportbescheinigung von Norwegen nach Deutschland und das entsprechende Transit-Dokument T1 (Die beiden Dokumente werden noch lange Thema sein - sehr lange.). Nach einem weiteren Telefonat erklärt er, dass er die beiden Dokumente nicht hat, da die liefernde Spedition diese nicht abgegeben hat. Die adrette Zollbeamtin sagt mir: "That's a problem!" So, was jetzt. Die adrette Zollbeamtin erklärt mir, dass diese Dokumente von einer Spedition in Norwegen ausgestellt werden müssen. Sie habe eine Liste solcher Spedition, aber in der Regel sind diese nicht begeistert, diese Dokumente für Privatpersonen auszustellen. Das Ausstellen der Dokumente kostet Geld und bei Privatpersonen ist das immer so eine Sache. Ich versichere der adretten Zollbeamtin, dass ich zahlungskräftig bin. Sie findet tatsächlich eine Spedition, die die Dokumente ausstellen würde, aber erst gegen vorherige Bezahlung. Ich sage ihr, damit mal etwas Abwechslung in unsere Beziehung kommt: "That's not a problem!". Ich muss meine Proforma-Rechnung, die deutsche Zollausfuhrerklärung und alle meine Daten inklusive Personalausweisnummer abgeben. Meine Schuhgröße brauchen sie nicht😜. In der Zwischenzeit plaudere ich mit der adretten Zollbeamtin und erzähle ihr von meiner Tour de Chirurgie und Charity, bla, bla bla. Es dauert eine viertel Stunde und die hilfsbereite Dame von der Spedition schickt mir die Rechnung fürs Ausstellen der Dokumente. Ich überweise sofort, mache einen Screenshot der Überweisung und schicke ihr diesen als Nachweis. Nach einer weiteren viertel Stunde schickt die hilfsbereite Dame von der Spedition die Exportbescheinigung von Norwegen nach Deutschland und das entsprechende Transit-Dokument T1. Jetzt ist endlich alles gut - Pustekuchen! Die adrette Zollbeamtin erklärt mir, dass ich das Fahrrad bis spätestens 28. Juni nach Deutschland einführen muss - "That's the rule!" Sie versteht sehr schnell, dass ich von hier nicht in drei Wochen nach Rostock fahren und dort das Fahrrad beim Zoll vorführen kann - und auch nicht will. Als hätte ich es nicht schon gewusst, meint sie: "That's a problem!" Ich sehe mich schon hier an der Grenzstation Kivilompolo in einer Zelle des finnischen Zolls übernachten. Außerdem schaue ich, wo die versteckte Kamera im Raum installiert ist. Sie berät sich kurz mit zwei Kollegen des norwegischen Zolls und schaut mich ernst an. Sie meint, dass das jetzt blöd wäre, dass ich die Speditionsrechnung bezahlt habe, aber das Fahrrad ja schon in drei Wochen in Deutschland sein muss, was ja nicht möglich ist. Mit dem für eine Zollbeamtin gebotenen Ernst erklärt sie mir, dass sie auf das maßgebliche Transit-Dokument T1 verzichtet und stempelt mir meine deutsche Zollausfuhrerklärung ab. Außerdem sagt sie mir, dass sie diesen Vorgang auf ihre Kappe nehme. Ich sage ihr, dass sie für mich meine "Lady of the Day" ist. Sie lacht und entlässt mich.

 

Fazit: Meinem Scharm kann nicht einmal eine finnische Zollbeamtin widerstehen. Es hat zwar drei Stunden gedauert, aber dann habe ich sie weichgeklopft😜.

 

Ich werfe noch einen letzten Blick zurück nach Norwegen und fahre dann weiter. Dann meint die Sattelstütze wieder Stück für Stück im Sattelrohr versinken zu müssen.

Einen Supermarkt brauche ich jetzt nicht. Ich will jetzt möglichst schnell ins Hotel. Ich kann morgen in Hetta einkaufen.
Einen Supermarkt brauche ich jetzt nicht. Ich will jetzt möglichst schnell ins Hotel. Ich kann morgen in Hetta einkaufen.
Die Landschaft ist jetzt sumpfig und die Nadelbäume werden mehr und höher.
Die Landschaft ist jetzt sumpfig und die Nadelbäume werden mehr und höher.


Endlich komme ich in Hetta im Hotel Majatalo an. Das Hotel ist in 4. Generation in lappischem Familienbesitz. Aus den Lautsprechern kommt lappische Musik; nicht jedermanns Geschmack auf die Dauer. Aber das Hotel ist wieder sauber und gemütlich. Ich habe ein Zimmer im Gästehaus gegenüber. Das Zimmer ist einfach aber zweckmäßig. Ich werde von der Dame des Hauses freundlich begrüßt, und sie erklärt mir alles. Ich frage sofort nach einem Bike-Repair, den ich morgen aufsuchen werde. Ich habe beim Fahrradhersteller einen Schutzbrief mit Rund-um-sorglos-Paket abgeschlossen und diesen gestern kontaktiert, aber noch keine Antwort erhalten.

 

Dann meldet sich noch Herr Prof. Martignoni telefonisch bei mir. Er teilt mir mit, wie positiv die Resonanz auf meine Tour ist und wie toll er mein Projekt findet. Das freut mich sehr und gibt natürlich Auftrieb für die weitere Tour - vielen Dank!

 

Der kleine Bayer in mir rührt sich und sagt: "Wie war's mit a Schweinshax'n, a Schüssel voll Semmelknödel, am Schubkarren voll Krautsalat und am Ayinger Weizenbock?" Die Realität antwortet mit Rindergeschnezeltem, Salzkartoffeln, Mischgemüse und einem lappischen Starköl (4,6% vol.) von Lapin Panimo aus Rovaniemi; auch sehr gut.

 

Und zu guter Letzt bekomme ich noch die Mitteilung, dass im Mai 1.015 Euro bei der Stiftung Chirurgie TU München eingegangen sind. Herzlichen Dank dafür!

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Kommentare: 1
  • #1

    Janine (Dienstag, 07 Juni 2022 21:30)

    Oh nein, diese ganzen Formalitäten- und Behördensch......., da hätte ich mich auch nach der versteckten Kamera umgeschaut, denn schließlich bist Du ja nicht in Deutschland...;-)) Aber ist ja danke der netten Dame gut ausgegangen....
    Und nun wollen wir hoffen, dass die blöde Schraube morgen durch irgendwas Funktionierendes ersetzt wird , damit Du und dein Allerwertester nicht wieder in die Tiefe versinken....