Tageskilometer: 76,61 Km
Tageshöhenmeter: 1.201 Hm
Gesamtkilometer: 5.461,57 Km
Gesamthöhenmeter: 38.851 Hm
Gesamtkilometer Schiff: 101,20 Km
Bei meinem gestrigen Spaziergang durch den Ort entdecke ich ein paar Meter von meinem Gasthof entfernt das Spielfeld, das auf dem nebenstehenden Bild zu sehen ist. Dort wird ein typisches baskisches Spiel, nämlich Pelota, gespielt. Wenn man so will, eine Vorgängerversion des heute in Glaskäfigen gespielten Squash.
Danach treffe ich auf der Terrasse des Gasthofs Martin, einen Niederländer, der sich mit einem Freund an den Picos de Europa zum Wandern verabredet hat. In zwei Tagen ist er mit dem Auto von Harlem in den Niederlanden hierhergefahren. Morgen fährt er dann die letzte Etappe. Martin ist ein interessanter Typ. Er hat seinen Job als Maschinenbauingenieur in der Lebensmittelindustrie an den Nagel gehängt und einen Drugstore aufgemacht. Neben den normalen Apotheken, in denen verschreibungspflichtige Medikamente erhältlich sind, gibt es in den Niederlanden diese Drugstores, in denen es eben nicht verschreibungspflichtige Produkte gibt. Im weitesten Sinn ist das eine Drogerie, die aber viele Kräuter, Steine und wer weiß was sonst noch lose verkaufen.
Am Abend gab's noch Abendessen. Ich erspare mir genau aufzuzählen, was, weil es das nicht wert ist. Auf alle Fälle ist das wieder einmal ein Essen, für das der Koch mit einem dreijährigen Berufsverbund belegt werden sollte, und anschließend einer Koch Psychologischen Untersuchung bei Spitzenköchen unterzogen werden sollte. Das Essen schwimmt dermaßen im Öl, das ich es unmöglich aufessen kann. Außerdem ist das Fleisch innen total roh, und zwar total roh!
Das Frühstück war für 7:00 Uhr vereinbart. Offizieller Frühstücksbeginn sollte um 8:30 Uhr sein, was für mich viel zu spät ist. Ich will ja los. Als ich um 7:05 Uhr gerade dabei bin, meine Packtasche von Anhänger zu heben, um mein Studentenfutter auszupacken, kommt der Chef, der sich später als der Koch herausstellen sollte, mit seinem jungen ecuadorianischen Gehilfen angefahren. Es gibt Frühstück, also doch Frühstück, und zwar geröstetes Weißbrot, Butter, Marmeladen, die ich nicht kenne und auf einem rustikalen Gestell Käse auf der Platte und Würste die an einem Ständer Baumeln. Der Kaffee aus der original italienischen Kaffeemaschine ist hervorragend.
Der Chef, der sich auf meine Nachfrage hin als "nur der Koch" herausstellt, schaut in seiner Wetter-App nach, ob es regnen wird, nachdem ich ihn gefragt habe. Leicht nieseln tut es ja schon die ganze Zeit. Er meint "kein Regen", aber ich traue ihm nicht und ziehe mein komplettes Regengewand an. Und was soll ich sagen? Kaum bin ich weggefahren, fängt es richtig zu regnen an. Da war mir der Wetterbericht aus dem Bauch heraus von dem fröhlichen älteren Herrn in Biarritz lieber, als der Wetterbericht aus der Wetter-App von heute.
Ich schaffe es, kurz nach 7:30 Uhr wegzufahren. Es geht auf der NA-4040 gleich mal 450 Höhenmeter steil bergauf. Die Sicht beträgt teilweise nur 100 Meter. Die Landschaft ist wolkenverhangen. Straßenverkehr gibt es hier oben auch keinen. Die Stimmung ist irgendwie mystisch.
Nach dem heftigen Bergauf geht es lange bergab. Die Straßen sind sehr gut, aber ich bin vorsichtig bei den Abfahrten; weggerutscht ist man ja schnell mal auf regennasser Straße, besonders mit einem Gespann, bei dem der Anhänger ordentlich schiebt. Mein Weg ist heute weiterhin der EuroVelo 1. Ab und zu verlasse ich diesen aber auch. So fahre ich bei Orokieta links auf einen Feldweg, der anfänglich sehr gut zu fahren ist, aber die letzten 200 Meter extrem steil nach unten und mit Basketball-großen Steinen gepflastert ist. Mit dem Gespann ist das Stück unbefahrbar. Das heißt Absteigen und in den bei Fahrradfahrern unbeliebten und sinnlosen Schiebemodus übergehen, aber eben nur 200 Meter. Dann geht's weiter auf der NA-411, bis ich bei Lizaso auf die NA-4100 abbiege. Ich bin jetzt unten in der Talebene unterwegs. Die Landschaft weitet sich, und die Sicht wird deutlich besser.
Ab Marcaláin ändert sich die Landschaft plötzlich vollkommen. Aus den Bergen werden Hügel, und das bisherige satte Grün weicht strohgelben ausgetrockneten Feldern. Meine Blicke schweifen weit bis zu den Hügeln, an denen Pamplona, die Hauptstadt der Provinz Navarra, liegt. Das Wetter wird zunehmend freundlicher. Kurz vor Pamplona fahre ich wieder auf den EuroVelo 1.
Pamplona, das auf Baskisch Iruñea oder Iruña heißt, ist leider für die alljährliche Stierhatz durch die Stadt berühmt berüchtigt, bei der sich mehr oder weniger Menschen verletzen, weil sie meinen mit den Stieren mitlaufen zu müssen. Ansonsten hat die Stadt moderne Neubausiedlungen, und ich treffe auf den Jakobsweg. Und ich treffe nicht auf irgendeinen Jakobsweg, sondern auf DEN Jakobsweg namens Camino Francès, der von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Santiago de Compostela führt; dahin, wo letztendlich alle Pilger einmal hinwollen.
Die Routen für Fahrradfahrer und Wanderer sind meistens getrennt. Lediglich ein kleines Stück von 100 Metern fahre ich auf einem steinigen Weg dieselbe Route wie die Wanderer. Kurz bevor ich diese 100 Meter in Angriff nehme, mache ich eine Riegelpause. Das ist eine gute Gelegenheit, die wandernden Pilger aus der Nähe zu beobachten. Und ich muss sagen "Uijuijuijui", so wie mancher daherkommt. Während die einen - wohl körperlich fit - aufgeräumt dahinmarschieren, schleppen sich andere völlig fertig mit hochrotem Kopf und schnaufend an mir vorbei. Ich frage mich, wie hoch wohl die Ausfallquote bis nach Santiago de Compostela sein wird.
Nach Pamplona folge ich der Restlichen Strecke der NA-1110. Ich habe einen letzten größeren Anstieg zu bewältigen. Auf der Anhöhe habe ich einen unfassbar schönen Blick in Richtung Norden. Kurz vor meinem heutigen Etappenziel Puente la Reina sehe ich einen Waldbrand. Mir stockt der Atem, denn so nah war ich noch nie an einem dran. Es qualmt an einer Stelle noch etwas, aber ansonsten scheint das Feuer unter Kontrolle zu sein.
Wenig später komme ich in meiner heutigen Unterkunft an, der Pilgerherberge Albergue Puente. Ein freundlicher junger Mann öffnet die Türe, um mir mitzuteilen, dass gerade gereinigt wird. Ich entschuldige mich. Ich bin ja schließlich um 11:30 Uhr da. Er meint, ich solle mein Gespann direkt vor dem Haus stehen lassen. In der Zwischenzeit könnte ich mir im Restaurant, das auf Sichtweite ist, etwas zu Essen kaufen. Er würde mir dann winken, wenn es Zeit für den Check-in ist.
Gesagt - getan, kaufe ich mir ein Sandwich mit Schinken. Ich genieße die Erholungszeit unter dem Schatten spendenden Schirm. Nach einer Stunde winkt mir der junge Mann, und ich mache mich auf den Weg.
Das Gespann kann im Eingangsbereich übernachten. Da geht es eine etwas höhere Stufe hoch, doch der junge Mann hilft mir das Gespann darüber zu schieben.
Er teilt mir alles Wichtige mit, und übergibt mir den Schlüssel mit der Nummer 6. Das Zimmer ist im 3. Stock, wie es sich für eine Pilgerherberge gehört natürlich ohne Aufzug. Ich gehe in einen Raum mit Stockbetten, sehe das Bett mit Nummer 6 und einen Rucksack davor, und denke mir "Da stimmt doch was nicht.". In dem Raum mit 6 Stockbetten riecht es wie in einem Pumakäfig, obwohl in der Herberge alles blitzblank sauber ist.
Ich gehe zurück auf den Flur. Dort sehe ich die Beschilderung zu den Zimmern, und entdecke den Wegweiser zu Zimmer Nummer 6. Ich sperre auf und siehe da - das gebuchte Zweibettzimmer für mich alleine.
Ich richte mich häuslich ein und dusche. Dann schreibe ich meinen heutigen Blog schon mal soweit ich das kann.
Nachdem Puente la Reina nicht irgendein Pilgerort auf dem Weg nach Santiago de Compostela ist, sondern sich dort die Ruta Aragonesa, die Ruta Navarra und der Camino Santiago de Frances vereinigen, statte ich dem Ort einen kleinen Rundgang ab. Über den Fluss Arga führt die gleichnamige Brücke. Ansonsten gibt es mehrere Kirchen und wie es sich für einen Ort mit viel Durchmarschierenden gehört, viele Herbergen, Restaurants und Bars.
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Liesl (Freitag, 26 August 2022 19:22)
Den Jakobsweg mal zu gehen wäre ein Traum…
Janine und co (Freitag, 26 August 2022 19:35)
Mein Lieber, da hä
ttest du ja dieee Gelegenheit den jacobsweg zu gehen bzw zu befahren...
janine (Freitag, 26 August 2022 19:37)
Der Martin aus Harlem wird in seinem drugstore schon leckere u lukrative Dinge verkaufen ...um den brauchen wir uns keine Sorgen zu machen...��
Janine (Freitag, 26 August 2022 19:40)
"Pumakäfige" werden von den pilgern gebucht, die dann mit blasen an den Füßen halbtot ins Bett in ihren Sechser- oder Achterkammern fallen. Da hast du ja puren Luxus ��
Wolfi (Freitag, 26 August 2022 19:41)
Servus Liesl,
wenn es ein Traum ist, würde ich mir aber entsprechende Unterkünfte suchen. Im Gemeinschaftsquartier ist es bestimmt kein Spaß.
Liebe Grüße
Wolfi (Freitag, 26 August 2022 19:45)
Hallo Janine & Co,
da biege ich jetzt dann lieber links ab in Richtung Süden.
Der Martin hat zumindest einen glücklichen Eindruck.
Wenn ich schon so lange unterwegs bin, schaue ich wenigstens, dass es mir einigermaßen gut geht. Ich stelle mir gerade das Geschnarche und Getränke vor - brrrr!
Liebe Grüße