Tag 88 (27.08.2022): Von Puente la Reina nach Alesanco

Tageskilometer: 107,80 Km

Tageshöhenmeter: 1.564 Hm

Gesamtkilometer: 5.569,37 Km

Gesamthöhenmeter: 40.415 Hm

Gesamtkilometer Schiff: 101,20 Km

 

Bei vielen Pilgern läutet der Wecker um 6:00 Uhr, bei mir um 5:50 Uhr. Damit habe ich eine Toilette mit Waschbecken, von denen es auf der Etage nur zwei gibt, als erster. Tja, was hat mein Opa immer gesagt? "Bua, blöd derfst sein, nur zum Helfen musst da wissen!"

 

Das Frühstück fällt pilgermäßig, aber nicht schmal aus. Es gibt Toastbrot, Butter, Marmelade, Schoko-Nuss-Creme, verschiedene Cerealien und Pulverkaffee. Eine freundliche junge Frau aus den Niederlanden gesellt sich beim Frühstück zu mir. Wir tauschen uns etwas aus. Ich mache eben meine Tour de Chirurgie, und sie geht den Jakobsweg. Vor vier Tagen ist sie in Saint-Jean-Pied-de-Port gestartet. Sie schätzt, für die restliche Strecke ungefähr 5 Wochen zu brauchen.

 

Wie geplant, bin ich um 6:45 Uhr startbereit. Mit 14o C ist es eher kühl, aber das passt für mich. Gleich zu Beginn geht es nämlich ordentlich bergauf. Die gesamte Etappe führt über den EuroVelo 1. Langsam geht in meinem Rücken die Sonne auf. Verkehr auf den Straßen gibt es so gut wie keinen.


Wie schon gestern fahre ich weiter auf der NA-1110. Es geht teilweise heftig bergauf, dann wieder bergab. Das ist alles wunderbar zu fahren, weil die Straßen sehr gut asphaltiert sind.

 

In der Morgensonne glühen die südlichen Ausläufer des Kantabrischen Gebirges, welches eine Weiterführung der Pyrenäen darstellt, und das "grüne" Spanien im Norden vom "kontinentalen" Spanien im Süden trennt.

 

In Estella-Lizzara biege ich auf die NA-122 und kurze Zeit später auf kleine Nebenstraßen ab. Das Navi meint zwischendurch, wir müssten für 8 Kilometer die NA-122 verlassen, um auf einem Feldweg dahinzuholpern. In der Ferne sehe ich erst auf den zweiten Blick eine Schafsherde, die sich kaum vom Gold der abgeernteten Felder abhebt.

Der Jakobsweg ist weiterhin hervorragend ausgeschildert. Auf den Straßen stehen Warnschilder, dass Autofahrer Rücksicht auf die Pilger zu nehmen haben, und Überwachungen per Helikopter und Drohnen durchgeführt werden. Selten sehe ich eine Streife der Polizei fahren, die freundlich aus dem Auto heraus grüßt.

 

Die Autofahrer sind tatsächlich äußerst rücksichtsvoll. Überholt wird fast ausnahmslos auf der Gegenfahrbahn. Wenn Überholen nicht möglich ist, wird hinter den Pilgern hergefahren, bis es wieder möglich ist. Ich bin schon gespannt, ob ich nach dem Verlassen des Jakobswegs in südlicher Richtung auch noch so zuvorkommend behandelt werde.

 

Der Jakobsweg verläuft auch weiterhin für die Wanderer und Fahrradfahrer größtenteils getrennt. Oftmals müssen die Wanderer aber auch auf der NA-1110 dahinmarschieren, bis wieder mal ein Abzweig auf einen steinigen Wanderweg kommt.

 

Ich hätte nicht gedacht, dass zu dieser Jahreszeit, so viele Pilger unterwegs sind.


Kurz vor Logroño, der Hauptstadt der Provinz La Rioja, wird die Straße zur NA-134. Ich überquere den Ebro über die Brücke Puente de Piedro. Der Fluss entspringt im Kantabrischen Gebirge und mündet ins Mittelmeer. Hier in Logroño ist der Fluss eine braun-grünliche Brühe, die zu stehen scheint. Im Hintergrund sind die Kathedrale Santa Maria de la Retonda und die Iglesia de San Bartolomè zu sehen. Die Pilger, die ja im Namen des Herrn unterwegs sind, müssen an allen möglichen Kirchen und Klöstern vorbei, um sich ihren Stempel für den Pilgerausweis abzuholen. Ich bin zwar auch im Namen des Herrn unterwegs, aber eher wie die Blues Brothers😎😎. Daher kann ich mir das Gestemple ersparen. Außerdem, wer so wie ich Kloster Andechs, Frauenkirche, Stephansdom, Westminster Abbey, Petersdom und noch viele andere Kirchen mehr in seinem Leben gesehen hat, ist entschuldigt😉.

 

Mich verblüfft die Abwechslung zwischen verdorrtem und grünem Land. Kilometerweit sind nur goldfarbene abgeerntete Felder zu sehen, dann wieder grüne Landschaften und kurz hinter Logroño sogar ein See, in dem ordentliche Kaliber von Forellen schwimmen.

 

Nach Logroño wird die Landstraße zur NA-120, und der folge ich heute bis zu meinem Etappenziel.


Die Provinz La Rioja gibt auch dem weltberühmten Wein, der hier angebaut wird seinen Namen, eben dem Rioja. Die Landschaft ist übersäht mit Weingärten, die sich deutlich von den goldgelben, bereits abgeernteten Feldern abheben. Richtig schwer hängen die Weintrauben an den Reben und reifen langsam der Ernte entgegen. Hi und da sehe ich eine Bodega, also einen Wein produzierenden und vertreibenden Betrieb. Es ist aber keiner dabei, der so kunstvoll schön ist, wie es manche sind. Ein Foto lohnt leider nicht.

 

Ungefähr 10 Kilometer vor dem Ende meiner heutigen Etappe kommt ein letzter langer Anstieg. Ich überhole einen älteren Rennradfahrer, der sich in meinen Windschatten hängt. Er bleibt dran, bis wir ganz oben sind. Dann fährt er an mir vorbei und bedankt sich bei mir. Ich rufe ihm ein Bravo hinterher.

Obwohl es den ganzen Tag strahlenden Sonnenschein hat, steigen die Temperaturen nicht über 22o C bis zu meiner Ankunft in Alesanco um 11:30 Uhr. Ich bin aber trotzdem froh, das Fahrradfahren für heute lassen zu können. Mit 1.564 Höhenmetern und knapp 108 Kilometern war das eine der anstrengendsten Etappen der gesamten Tour. Dazu kommt noch, dass es zwar von den Temperaturen her recht angenehm war, aber die Sonne trotzdem ordentlich runtergestochen hat.

 

Mein Quartier für heute ist die Pensiòn Jauja. Dort werde ich von der Tochter des Hauses freundlich empfangen. Sie spricht so gut wie kein Englisch, aber mit der Übersetzungs-App kommen wir beide sehr gut klar. Sie zeigt mir alles, bis auf mein Zimmer. Das ist natürlich um diese Uhrzeit noch nicht fertig. Sie empfiehlt mir, in den Ort zum Essen zu gehen, was ich auch mache. Ich gehe in ein kleines Restaurant im Ortskern. Dort ist reger Betrieb, aber ich bekomme locker einen Platz. Ich bestelle mir Calamares, Verdure und Patate. Was soll ich sagen? Ich bin in der Zwischenzeit überzeugt, dass ganz Europa zu einer riesigen Frittenbude verkommen ist. Es schmeckt zwar alles gut, aber es ist alles frittiert. Dazu genehmige ich mir ein Estrella Damm Lemon, ein spanisches Radler. Das schmeckt auch gut!

 

Als ich eine Stunde später zurückkomme, ist mein Zimmer bezugsfertig. Die gesamte Pension und auch mein Zimmer sind sehr gepflegt. Das Zimmer ist darüber hinaus noch sehr modern. Das Einzige was nervt, ist die extrem quietschende Eingangstüre. Nachdem auch meine Pedale seit heute Morgen quietschen, verpasse ich der Eingangstür und meinen Pedalen eine Ölung mit meinem in Härnösand erworbenem Fahrradöl. Dann ist Ruhe.

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Kommentare: 4
  • #1

    Martina (Sonntag, 28 August 2022 08:54)

    Hallo Wolfi,
    sehe ich da einen Pool auf dem Bild? Da bist du hoffentlich noch reingesprungen oder war es zu kühl?
    Landschaftlich wieder super toll!!!
    Schade, dass es hauptsächlich frittiertes Essen gibt, denke, das ändert sich dann spätestens in Küstennähe, Fisch kann ma ja auch grillen, hoffentlich wissen das die Spanier auch �

  • #2

    Claudia (Sonntag, 28 August 2022 12:10)

    Lieber Wolfgang, kaum schau ich ein paar Tage nicht in deinen Blog, bist du schon bei den Spaniern angekommen. Meinen vollen Respekt für deine Leistung, ich bin immer aufs Neue beeindruckt, was du nun schon seit Wochen durchziehst! Das Lesen deiner Erlebnisse macht mir immer Freude und ich muss oft Lachen, wenn du von deinen zwischenmenschlichen Begegnungen berichtest. Ich wünsche dir, dass auch deine Tour weiter so reibungslos verläuft und du hoffentlich in Spanien noch kulinarisch entschädigt wirst. Vielleicht findest du da ja auch dort noch einen guten Italiener .... ;-)
    Liebe Grüße! Claudia

  • #3

    Wolfi (Sonntag, 28 August 2022 18:28)

    Servus Martina,
    vielen Dank, dass du dich wieder meldest!
    Nachdem ich lieber auf dem Wasser , als im Wasser bin, war ich nicht im Pool.
    Die Landschaft ist wirklich unfaßbar schön.
    Mit dem Fisch und dem Meer wird's so schnell nix. Jetzt gehts dann durchs Landesinnere.
    Liebe Grüße

  • #4

    Wolfi (Sonntag, 28 August 2022 18:31)

    Liebe Claudia,
    das freut mich sehr, dass du mir wieder schreibst!
    Auch wenn nicht immer alles nach meinen Vorstellungen ist, ist es doch ein Erlebnis. Heute in Burgos bin ich mit einem tollen Essen entschädigt worden. Ich freue mich immer auf jeden neuen Tag. Die Landschaften sind allemal wunderschön.
    Lass es dir gutgehen!
    Liebe Grüße