Tag 16 (31.05.2023): Von Rovaniemi nach Kirkenes

Tageskilometer: 515,10 Km

Gesamtkilometer: 3.445,90 Km

Durchschnittsgeschwindigkeit: 89 Km/Std.

Tageskilometer Schiff: 0,00 Km

Gesamtkilometer Schiff: 468,00 Km

Reisezeit: 6:41 Stunden

Gesamtreisezeit: 65:04 Stunden

 

Als ich am Morgen aus dem Fenster schaue, hat die Wettervorhersage leider Recht behalten. Es regnet, und das nicht zu wenig. Ich packe das Motorrad abfahrbereit und fahre es direkt vor den Eingang der Rezeption auf den Parkplatz. Ich frühstücke noch und mache mich dann auf den heutigen langen Weg. Dass die Fotoausbeute bei diesem Wetter und vor allem diesen Temperaturen eher gering ist, versteht sich wohl von selbst. Dafür gab es ja gestern genug interessante Fotos und die wird es die nächsten Tage auch wieder geben.

 

Die Temperaturen pendeln zwischen 7o C und 9o C und die ersten zwei Stunden regnet es ordentlich. Ich habe zwei Skiunterhemden und ein Fleece an, dazu meine Winter-Motorradhandschuhe. Die Griffheizung läuft heute oft auf Stufe 2. Dann reißt der Himmel plötzlich so weit auf, dass es durchaus freundlich ist. Es wird zwar nicht wärmer, aber für's Gemüt ist Sonne immer gut.

 

Schon kurz nach meiner Abfahrt sehe ich die ersten Rentiere am Straßenrand und auf der Straße. Das sollte sich bis zu meiner Ankunft am Zielort immer wieder wiederholen. Meine Augen tasten also die Straßenränder wie ein Radar ab. Wenn ich eine Gruppe sehe, reduziere ich die Geschwindigkeit und behalte die Burschen im Auge. Ich will ja nicht, dass sie bei Santa Claus in der Dose landen.

 

Irgendwann bimmelt das Telefon und meiner Frau ist dran. Wir ratschen etwas. Ich erkläre ihr, wie die Lage ist, und dass ich eigentlich damit zufrieden bin. Es könnte ja auch schlimmer sein.

 

Nach ungefähr der Hälfte der Strecke halte ich an einer Raststätte. Dort tanke ich die Maschine auf und gönne mir einen Kaffee und ein Schmalzgebäck. Meine Route führt übrigens seit dem Start auf der E75 entlang. Etwas anderes bleibt mir eh nicht übrig. Aber die E75 ist mein Freund; eigentlich kein Verkehr, guter Belag, Wälder und Seen, aber das hatten wir ja schon alles.

 

Dann rufe ich meinen Freund Werner an und wir plaudern etwas. Das vertreibt die Zeit, und es schmelzen sogar bei diesen Temperaturen wieder einige Kilometer dahin.


Heute war wieder mal ein Tag der Technik-Nicklichkeiten. Die eine habe ich ganz locker genommen, bei der anderen habe ich erstmal geschluckt.

 

Kurz nach meiner Pause schaue ich auf das Navi und der Bildschirm ist dunkel. Auf der heutigen Strecke muss ich genau dreimal abbiegen. Das sollte ich auch ohne Navi schaffen, aber ansonsten ist es halt schon wichtig, auf dieser Tour eine funktionierende Wegweisermaschine zu haben. Ich bleibe stehen, nehme das Navi aus seiner Halterung und sehe, dass die Helligkeit auf 20% eingestellt ist, aber nicht von mir, sondern selbständig. Ich navigiere mich im Blindflug durch die Menüs und schraube die Helligkeit wieder auf die 100%, wie ich das mag. Der Bildschirm wird heller, aber er bleibt im Nachtmodus. Ich denke mir "Ist auch recht, Hauptsache du navigierst richtig!". So fahre ich dahin und auf einmal schaltet das Navi den Bildschirm wieder in den Tagmodus. Ich habe keine Ahnung, was das war.

 

Den zweiten Fehler nehme ich erstmal überhaupt nicht locker. 175 Kilometer vor dem Ziel mitten im Nirgendwo gibt das Motorrad auf seinem Display in grellem Rot die Meldung "Reifendruck entspr. nicht Soll. Sofort anhalten! Reifendruck kontrollieren." Ich lasse das Motorrad langsam ausrollen, bleibe stehen, lasse den Motor laufen und steige ab. Als erstes schaue ich im Display nach, wie der Reifendruck vorne und hinten ist; vorne Ist: 0,0 Bar Soll: 2,5 Bar / hinten Ist: 1,6 Bar, Soll: 2,9 Bar. Zwei platte Reifen wären eine Katastrophe in the middle of nowhere. Für einen hätte ich ein Reparaturset dabei. Als nächstes mache ich ein Sichtkontrolle, ob ich einen platten Reifen entdecken kann - Fehlanzeige. Ich schalte den Motor aus und dann die Zündung. Dann fahre ich diesen fahrbaren Hightech-Computer wieder hoch - Zündung an, Motor an. Und siehe da, auf einmal zeigt das Biest wieder die Normalwerte für den jeweiligen Luftdruck an. Da werde ich beim ersten großen Kundendienst mal ganz genau nachfragen, was dieses Verhalten zu bedeuten hat. Ich bin froh! Mir sind schon alle möglichen Szenarien mit der Mobilitätsgarantie durch den Kopf gegangen, aber ich kann aufsitzen und weiterfahren.

 

Rentiere lassen sich nicht stören durch den Verkehr auf den Straßen. Entweder äsen sie am Straßenrand oder traben lustig, so wie es ihre Art ist, am Straßenrand entlang. Nähe mögen sie allerdings nicht. Es sind halt doch Wildtiere, die nicht richtig domestiziert sind. Aber irgendwann ist es soweit und aus einer gewissen Entfernung kriege ich doch eine kleine Gruppe vor die Linse.

 

Irgendwann komme ich zu dem Wegweiser, der mir sagt, dass ich da hinmuss. Das Navi sagt zeitgleich "Rechts abbiegen!". Das mache ich und folge der Straße 971. Das ist einer relativ Es beginnt wieder stark zu regnen, aber jetzt habe ich es ja bald geschafft. Dann biege ich auf die E6 ab und folge dieser die letzten Kilometer. Rechts geht's auf einmal ab nach Murmansk, aber da will ich nicht hin. Ich tanke die Maschine nochmal voll und dann fahre ich in Kirkenes ein, meinem heutigen Ziel. In Kirkenes endet die E6. Außerdem ist Kirkenes der nördlichste Wendepunkt für die Schiffe der Hurtigruten. Die Straßenschilder sind zweisprachig, nämlich norwegisch und russisch. Die Grenze zu Russland ist nur 13 Kilometer entfernt. Grenzüberschritte, und da reicht schon das Hinüberstrecken des Armes, werden von Norwegen drakonisch bestraft.

 

Das war jetzt nicht der schönste Tag in meiner Motorradfahrer-Karriere, aber er hätte ja viel übler sein können. Der Regen und die niedrigen Temperaturen waren ganz gut auszuhalten.

Weil es ganz einfach ist, stelle ich auch meine heutige Unterkunft schon mal vor. Es ist das Kirkenes Hotell. Das Motorrad parkt auf einem Parkdeck neben dem Hotel. Der Hotelbesitzer, ein Chinese, wickelt ohne jegliche Freundlichkeiten die Formalitäten mit mir ab. Das Zimmer ist einfach und recht kalt. Für eine Nacht geht's aber für länger würde ich mir ein besseres Hotel suchen. Im Hotel selbst gibt es ein Restaurant namens "Shanghai. Ich werde mal sehen, was ich heute noch tun werde; bei diesem Wetter wohl nichts Großartiges mehr.

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Kommentare: 4
  • #1

    Tobi (Mittwoch, 31 Mai 2023 22:39)

    Hallo Wolfgang, eine schöne Strecke hast du jetzt schon mal gefahren!
    Gut dass alles wieder in Ordnung kommt mit der Elektrik! Ich wünsch dir viel mehr Sonne die kommenden Tage! Und schönere Unterkünfte mit guter Verpflegung. Sitzenbleiben Grüsse Tobi

  • #2

    Wolfi (Mittwoch, 31 Mai 2023 23:06)

    Ja Servus Tobi,
    schön, dass du dich meldest. Manchmal steckt der Wurm eben im Detail, aber da muss man cool bleiben. Jetzt nähere mich dem Nordkap, aber voriges Jahr hatte ich eindeutig das bessere Wetter. Also, kann es nur noch besser werden. Ich bin in meinem Leben noch nicht unfreiwillig von meinen Motorrädern abgestiegen und so soll es auch bleiben.
    Lass es dir gutgehen!
    Liebe Grüße

  • #3

    Martina W. (Donnerstag, 01 Juni 2023 06:56)

    Hallo Wolfi,
    angekommen in Kirkenes, wie spannend, dass es dann ab heute ein revival der Tour vom letzten Jahr gibt! Und ein Wiedersehen mit der ein oder anderen Bekanntschaft und dazu neue Eindrücke und neue Bekannte - ich bin gespannt.
    Sonnige Grüße aus Unterschleißheim
    Martina

  • #4

    Wolfi (Donnerstag, 01 Juni 2023 07:41)

    Servus Martina,
    die sonnigen Grüße kann ich gut gebrauchen bei 5 Grad und Regen. Die nächsten Tage sollen eher noch schlechter werden. Wir sind ja erst am 2. Juni vorigen Jahres angekommen. Also, das eigentliche Revival beginnt dann morgen. Lass es dir gutgehen.
    Liebe Grüße