Tag 74 (13.08.2022): Von Clermont-Ferrand nach Massiac

Tageskilometer: 81,73 Km

Tageshöhenmeter: 1.126 Hm

Gesamtkilometer: 4.701,79 Km

Gesamthöhenmeter: 32.041 Hm

Gesamtkilometer Schiff: 101,25 Km

 

Heute sind es nur knapp über 80 Kilometer, die ich fahren werde. Daher stehe ich erst um 6:00 Uhr auf, damit ich um 6:30 Uhr abfahren kann. Auschecken gibt es nicht in diesem B&B. Gestern Abend habe ich noch gefragt, ob ich ein Breakfast-Paket haben kann, weil es Frühstück erst um 7:30 Uhr gibt. Ich frage mich, warum es in einem B&B, das wohl viel von Handwerkern und Geschäftsreisenden besucht ist, erst ab 7:30 Uhr Frühstück gibt. Die junge Dame an der zwischen 19:00 und 21:00 Uhr geöffneten Rezeption sagt mir, dass das nicht geht; toller Service☹️👎! Obwohl ich das Frühstück im Voraus bezahlt habe, gibt es keine Rückerstattung😡. Ich verzichte trotzdem, frühstücke wieder mal seit langem mit Studentenfutter und Wasser. Um 6:30 Uhr ist Abfahrt, damit ich nicht in die große Hitze komme, die auch für heute wieder vorausgesagt ist.

 

Wie schon in Freiburg und anderen größeren Städten wird es auch, nachdem ich Clermont-Ferrand verlassen habe, um 3o C bis 4o C kühler. Die Steine der Häuser einer Stadt heizen sich eben auf wie bei einem Kachelofen mit Speichersteinen. Bei dem macht es allerdings auch Sinn.

 

Die Sonnenstrahlen kündigen im Osten langsam den beginnenden Tag an, und bescheinen dabei den Mond im Westen. Es ist Samstag und nichts los.


Zuerst geht es auf untergeordneten Landstraßen, die mit einem "D" und einer bis zu vierstelligen Ziffer gekennzeichnet sind, in Richtung Süden. Die ersten 10 Kilometer verlaufen gerade dahin. Der Fluss L'Allier, den ich ja schon bei meiner gestrigen Fahrt durch Vichy beschrieben habe, mäandert dahin. 

 

Irgendwann soll ich laut Navi zuerst durch eine Eisenbahnunterführung fahren und dann den Fluss überqueren. Das hat sich das Navi aber mal was richtig Schwieriges einfallen lassen. Die Eisenbahnunterführung ist kein Problem. Ich fahre einfach unten durch, wie man das halt so macht bei einer Eisenbahnunterführung. Dann lotst mich das Navi, ich bin schon stutzig, auf einen Trampelpfad, der nach 50 Metern auf die D225 führen soll. Das tut er auch, aber wie. Ich bremse noch rechtzeitig, aber umdrehen ist jetzt nicht mehr möglich. Ich stehe vor drei Felsabsätzen, von denen jeder ungefähr 30 bis 50 Zentimeter nach unten geht. Davor wird der Trampelpfad schon sehr abschüssig und ist außerdem, so wie es sich für einen Trampelpfad gehört, auch nur circa 30 Zentimeter breit. Das Gespann hat aber den Wendekreis eines kleinen Kleinwagens. Abkoppeln ist auch nicht möglich, da ich das Fuhrwerk ja nicht gerade hinstellen kann. Also, packe ich beiden Bremsen fest und taste mich mit der Stotterbremse laaaaangsam in der Hoffnung voran, dass das Gespann nicht ins Rutschen kommt. Dann wären wir nämlich schneller unten als mir das lieb ist. Das Gespann ist gehorsam, wie es sich für ein Gespann gehört. Nach relativ kurzer Zeit haben wir dieses Abenteuer gemeistert🤸, und es kann auf der D225 weitergehen.

 

Bei über 1.100 Höhenmetern lässt der erste von insgesamt 6 langen Anstiegen nicht lange auf sich warten. Teilweise geht es mit 10% bergauf, aber es ist kühl und somit überhaupt kein Problem.

 

Kurz vor der kleinen Ortschaft Enval biege ich auf die nationale Radroute V70: Véloroute du Massif Central: Puy de Dôme ein, die von Nevers nach Montpellier führt. Diesem folge ich bis Beaulieu.


Wie an den Bildern zu sehen ist, ist heute der Tag der Postkartenmotive angesagt. Ich fahre ja die langen und teilweise steilen Anstiege hinauf, und von dort hat man einen wunderbaren Blick in die Ferne. Unendliche Sonnenblumenfelder und Maisfelder reifen langsam aber sicher der Ernte entgegen. Im Hintergrund sind immer wieder die Höhenzüge des Zentralmassivs zu sehen.

 

Heute muss ich nicht großartig auf irgendwelchen Verkehr acht, sondern nur dem Navi folgen und keine Abzweigung verpassen. Da habe ich Zeit, über einiges nachzudenken.

 

Wie fühle ich mich überhaupt? Seit der Etappe von Helsingør nach Præstø, bei der ich ja die letzten 95 von 137 Kilometern mit aufgeschlagenem Ellenbogen und stark angeschlagenem Knie gefahren bin, hatte ich keine so harte Etappe mehr wie die gestrige. Das Knie macht sich immer wieder leicht bemerkbar. Auf der Kniescheibe ist ein Knubbel zurückgeblieben, den ich nach meiner Rückkehr von Herrn Dr. Leimbeck anschauen lassen muss. Ansonsten spüre ich, dass ich verspannt bin und unbedingt ausgiebig Dehnübungen machen muss. Konditionell und kräftemäßig fehlt sich garnix💪🚴.

 

Aber die Hitze gestern war grenzwertig. Für die nächsten Tage ist kühleres Wetter angesagt. Hitzetage hatte ich schon im Osten Deutschlands bis 38. Da bin ich dann auch immer sehr früh weggefahren, damit ich nicht so lange in der extremen Hitze fahren muss. Aber hier im Süden scheint die steil stehende Sonne viel intensiver auf meinen Kopf zu stechen, und das habe ich gestern zunehmend gespürt. Obwohl ich auf meiner Tour de Chirurgie gegen nichts und niemanden fahre, also überhaupt keine Eile habe, fahre ich an solchen Tagen doch gegen die enorme Hitze und Sonnenstrahlen. Das möchte ich ganz und gar nicht. Heute ist aber wieder alles gut.

 

Noch bevor ich heute starte, schreiben mir meine Freunde Peter und Renate eine Nachricht, in der sie mir Tipps für den Umgang mit der Hitze geben und mich anfeuern😀. Sie glauben fest an mich, was mir sehr guttut🥰; umso mehr, weil ich in letzter Zeit fast keine privaten Nachrichten oder Blog-Nachrichten bekomme. Unsere Freundin Martina, die mit uns ans Nordkap geflogen war, und dann mit meiner Frau an Bord der Hurtigruten nach Bergen gefahren ist, hat sich in einem ausführlichen Blogeintrag gemeldet und mir viel Glück gewünscht🥰. Ich danke euch herzlich dafür😀. Ach ja, und meine Biersommelier-Kollegin Liesl hat sich gemeldet und jetzt schon Angst, wenn ich daheim die Organisation Frankreichs abfrage🤣. Liesl, nachdem ich weiß, dass du viel arbeiten musst🥵, bist du entschuldigt. Aber dass mir jetzt nicht jede Menge Entschuldigungsschreiben hereinflattern⛔️🤣! Da fall' ich nämlich nicht d'rauf rein.

Auch die Franzosen können verdammt lange gerade Straßen bauen. Nur fühlt es sich hier ganz anders an als im arktischen Bereich, wo es kühl und grün war. Meine Straße in Richtung Ziel heißt D653, die dann zur D909 wird. Jetzt sind es nur noch wenige Kilometer in Serpentinen steil bergab bis Massiac.

 

Bei Grenier biege ich auf die nationale Radroute V74: La Grande Traversé du Volcan à Vélo, étape 5. Allanche / Biesle ein, die mich an mein Ziel bringt. 

 

Um 10:00 Uhr komme ich dort an. Mein Zimmer im Hotel Les Portes du Cantal (Bitte Schutzbrille vor Öffnen der Website aufsetzen😎!) ist natürlich noch nicht bezugsfertig. Ich bekomme einen Kaffee und ein bisschen Gebäck von der Mitarbeiterin an der Rezeption, und genieße einfach, nur dazusitzen und nichts zu tun.

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Janine und co (Samstag, 13 August 2022 22:28)

    Lieber Wolfgang, wir sind täglich bei dir und vergessen dich nie ...aber manchmal fehlt Zeit und Muße.....hier aber wieder ein paar positive Unterstützungsworte...wir sind stolz auf dich und deine Idee und Umsetzung....Und senden dir eine frische nordseeBrise.....dein Sonnenblumenfoto ist ein Traum ..wir wünschen dir Gesundheit und Lust auf die nächsten km und Tage, und hoffen, es finden sich mal wieder ein paar nette Gesprächsunterbrechungen ...bis ganz bald, LG

  • #2

    Wolfi (Sonntag, 14 August 2022 08:01)

    Hallo Janine,
    das weiß ich, dass ihr drei zu meien treuesten Lesern gehört. Das sollte auch kein Vorwurf, sondern nur eine Feststellung sein.
    Über Nacht hat es hier geregnet und es ist endlich kühler. Das macht es viel entspannter für mich und ich freue mich auf die nächsten Etappen.
    Laßt es deuch gutgehen und liebe Grüße

  • #3

    Liesl (Sonntag, 14 August 2022 11:25)

    Schön das wir grad telefoniert haben und auch du mir Mut zugesprochen hast für mein Projekt.
    Wolfi vor deiner Leistung ziehe ich meinen Hut und das mit 59 Jahren�

  • #4

    Wolfi (Sonntag, 14 August 2022 12:27)

    Servus Liesl,
    danke für deine Anerkennung. Das freut mich sehr. Es ist auch kein alltägliches Projekt, dass man einfach so runterradelt.
    Wenn ich wieder daheim bin, brauen wir mal gemeinsam ein Bier, und wenn ich dir bei deinem Projekt helfen kann, dann mache ich das gerne; ich finde es toll, dass du solche Ideen hast.
    Liebe Grüße