Tag 96 (04.09.2022): Von Baños de Montemayor nach Grimaldo

Tageskilometer: 75,31 Km

Tageshöhenmeter: 556 Hm

Gesamtkilometer: 6.101,94 Km

Gesamthöhenmeter: 45.124 Hm

Gesamtkilometer Schiff: 101,20 Km

 

Heute pressiert es mir wieder mal nicht. Es stehen nur 75 Kilometer an, und es geht mehr bergab, als bergauf. Da reicht es, wenn ich um 8:00 Uhr frühstücke. Wie immer mache ich das Gespann davor abfahrbereit.

 

Eine junge sehr freundliche Mitarbeiterin öffnet den Frühstücksraum, und was soll ich sagen? Ist das nicht ein wunderbarer Raum mit diesen schönen Fliesen und den schön eingedeckten Tischen?!

 

Bevor wir aber losfahren habe ich eine Lösung für die Steinmale, die ich im Blogeintrag von gestern erwähnt habe. Es ist der Granit-Themenpark von Los Santos. Mein treuer Blog-Leser Dieter hat das herausgefunden. Lieber Dieter, vielen Dank dafür!

Ich fahre los bei 8o C auf der N-630, und weil ich das genauso wusste wie, dass es erstmal ordentlich bergab geht, ziehe ich nicht nur mein Fleece an, sondern auch meine Outdoor-Jacke. Das war genau die richtige Entscheidung. Die Outdoor-Jacke ziehe ich erst gegen 10:00 Uhr wieder aus.

 

Nach wenigen Kilometern denke ich mir "Das gibt's doch nicht! Schon wieder auf dem Jakobsweg." Ich weiß ja, dass es neben DEM Jakobsweg, dem Camino Frances oder Camino de Santiago de Compostela, noch andere Jakobswege gibt, die letztendlich eben alle DEM Jakobsweg zulaufen. Ich hatte allerdings bis jetzt die Via de la Plata nicht auf der Rechnung. Die geht in Sevilla los und führt in Richtung Norden auf meiner Fahrstrecke, die ja nach Süden geht, bis Salamanca und dann noch weiter in den Norden. Ich stelle mir vor, wenn die armen Seelen im Sommer auf dieser Straße bei brütend heißen 40o C oder gar 45o C unterwegs sind - puh!

 

Heute ist Sonntag, und so begegnen mir im Radsportland Spanien jede Menge Rennradfahrer. Wir grüßen uns alle sehr freundlich mit Handzeichen. Bei einer Trinkpause frägt mich sogar einer der Rennradfahrer, ob alles in Ordnung ist bei mir. Ich antworte mit einem freundlichen "Si" und er fährt mit seinem Begleiter grinsend weiter.

 

Wenig später sehe ich einen älteren Herrn mit seinem Fahrrad am Wegrand stehen, bleibe ebenfalls stehen, um mich zu erkundigen, ob bei ihm alles in Ordnung ist. Ich bekomme ein freundliches "Si, gracias." als Antwort.


Bald nach meiner Abfahrt passiere ich den See Embalse de Baños, den ich allerdings nur aus einiger Entfernung durch das Gebüsch sehen kann. Sobald ich wieder ins flache Land komme, wird es dünn besiedelt und ärmlich. Verfallene Häuser und Rinderherden auf verdorrtem Land prägen die Landschaft. Die Sonnenblumenfelder, die mich lange begleitet haben, sind auch nicht mehr zu sehen.


Dafür sehe ich auf meinem Weg immer mehr Olivenbäume. Ich schreibe absichtlich nicht Olivenplantagen, auch wenn die Bäume zahlreich sind. Es ist durchwegs alter Baumbestand, der nicht in Reih und Glied gepflanzt wurde, sondern eben so dasteht, wie er gewachsen ist. Ich habe schon lange keine so imposanten Olivenbäume mehr gesehen.

 

Die Straßen, auf denen ich unterwegs bin, kann ich nur mit dem Prädikat "Superklasse" bewerten. Es ist sehr wenig los und der Belag ist hervorragend. Was willst du als Fahrradfahrer mehr?


Ich nähere mich der Stadt Plasencia. Bevor ich diese passiere, strample ich den einzigen nennenswerten Anstieg hinauf. Oben angekommen, sehe ich den von der Straße weggeführten Wanderweg der Pilger. Dahinter sind wieder Windräder sichtbar, die oben auf den Bergen stehen. Ich frage mich, was würde wohl Don Quijote über diese merkwürdigen "Windmühlen" denken. Der Kampf wäre auf alle Fälle noch aussichtsloser, als der, den er damals schon geführt hat.

 

Das Land ist weiterhin unendlich weit. Egal in welche Richtung ich schaue, es scheint nicht enden zu wollen. Ich habe mir das ganze ja auf der Karte angeschaut, und weiß, dass es irgendwann am Meer endet😀.

 

Bei der Abfahrt vorbei an Plasencia überquere ich den Río Jerte. Von der modernen Brücke, über die die N-630 führt sehe ich in der Ferne das Aquädukt aus dem 16. Jahrhundert. Ich finde es immer wieder faszinierend, dass mit den damals nicht vorhandenen technischen Mitteln, wie wir sie heute haben, derartig beeindruckende Bauwerke gebaut wurden.

Kurz vor meinem heutigen Etappenziel treffe ich auf diese Wandergruppe, bei der schön brav einer nach dem anderen dem Anführer folgt. Als sie mich sehen, bleiben sie kurz stehen, um mich zu begutachten. Nachdem ich anscheinend nicht so interessant bin, setzen sie ihren Weg fort.

 

Ich gehe davon aus, dass sie schon in Santiago de Compostela waren, weil sie in meine Fahrtrichtung laufen.


Ich trudle an meinem heutigen Etappenziel in Grimaldo ein. Ja, dazu gibt es nicht mal einen Eintrag bei Wikipedia. Wenn ich mir das Kaff so anschaue, braucht es den auch nicht. Links und rechts ein paar Häuser und eine lange Gerade durch. Das scheint mir so wie in Tärnsjö oder Massiac ein sicheres Zeichen zu sein, dass man am besten mit qualmenden Reifen voll durchstartet.

 

Ich rufe die vereinbarte Nummer an. 5 Minuten später humpelt mit einer Manschette um den rechten Knöchel und einer Krücke César, ein circa 40 Jahre junger fröhlicher Typ, an. Wir begrüßen uns mit Handschlag. Er erklärt mir, dass in Grimaldo im Sommer ungefähr 150 Menschen und im Winter ungefähr 80 leben. Die letzteren wären dann nur die älteren Einwohner. Er spricht sehr gut Englisch, und ich empfinde es als eine Wohltat, dass ich mich nach Wochen der Isolation endlich wieder mit jemandem unterhalten kann. Wenn man die Sprache in so einem Land wie Frankreich oder Spanien nicht spricht, ist man isoliert! Und Isolation ist nun mal nicht gut für uns Menschen. César unterhält sich sehr interessiert, obwohl in der Nacht zuvor Dorffest war, und er noch einen dicken Kopf hat. Er erklärt mir, dass das Dorffest von den Jüngeren organisiert wird, und es ist für alle kostenlos. Ich meine scherzhaft, dass ich wohl einen Tag zu spät gekommen bin, worauf er lacht. Seinen Knöchel, so erzählt mir César, hat er sich beim Bouldern in der Halle vor zwei Monaten gebrochen. Die Heilung ist ziemlich langwierig.

 

Dann zeigt er mir das Haus. Ich habe mich im La Posada de Grimaldo eingemietet. Dafür gibt es einen Link auf eine Homepage, und die hat das Haus auch wirklich verdient. Als Posada, was ins Deutsche übersetzt Herberge bedeutet, würde ich das Haus nicht bezeichnen. Ich finde, das ist ein wunderschöner, gemütlicher, hervorragend ausgestatteter und mit allem Komfort versehener Landsitz. Draußen gibt es gemütliche Ecken zum Verweilen. Innen ist das Haus eine Mischung aus alter Substanz und modern renovierten Elementen richtig schön.

 

Hervorragend ist, dass das Frühstück in Selbstbedienung angeboten wird. Es steht alles bereit, und ich kann morgen aufstehen, frühstücken und losfahren, wann ich will. Ich bin mehr als zufrieden. Wer hätte das in diesem Nest gedacht!?

 

Und wer hätte das gedacht? Es gibt auch noch ein gutes Restaurant hier. Ich gehe ins Asador Grimaldo. Ich habe nicht reserviert, aber die freundliche Bedienung richtet mir sofort einen Tisch her. Das Essen schmeckt hervorragend. In the middle of nowhere habe ich eine tolle Unterkunft und ein tolles Restaurant gefunden. Wenn das nicht ein schöner Glücksfall ist.

Apropos "In the middle of nowhere"! Ich bin schon durch Orte mit so klangvollen Namen wie "Santo Domingo de la Calzada" und durch Bergregionen wie die "Sierra de Béjar" gefahren und ich habe den Fluss "Río Carriòn" überquert. Bei solchen Namen, den dazu passenden Landschaften und Gebäuden fühle ich mich doch glatt wie in einem Winnetou-Film. Und damit sind wir schon beim  Thema.

 

Ich habe aus der Ferne die Winnetou-Diskussion mitbekommen. Aus einigen meiner Netzwerke habe ich dazu auch Karikaturen wie die nebenstehende bekommen.

 

Ich frage mich nicht mal mehr, sondern ich vermute ganz stark, dass einige daheim jetzt wohl völlig verrückt geworden sind!

 

Sie fangen eine Debatte über ein Verbot von Winnetou-Büchern und -Filmen an. Ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender schreibt, man möge auf das "I-Wort" verzichten, um dann zurückzurudern, und um eine wertschätzende Sprache zu bitten. Ich frage mich, ob die Verantwortlichen tatsächlich soweit einknicken, dass sie die jedes Jahr zur Weihnachtszeit ausgestrahlten Karl May-Filme aus dem Programm streichen! Das wäre für mich ein Skandal!

 

Es gibt keinen Zweifel daran, dass indigene Völker menschenunwürdig behandelt wurden und immer noch werden. Es gibt auch keinen Zweifel darüber, dass dies unbedingt beendet werden muss. Es gibt auf dieser Erde keine Menschen unterschiedlicher Klassen!

 

Ich habe Karl Mays Bücher, egal ob die 3 Winnetou-Bände oder die gesamten Bände des Orientzyklus, als Kind geliebt und regelrecht verschlungen, und mich dabei in diese Abenteuer richtig hineingedacht. Mir wäre im Traum nicht eingefallen, in irgendeiner Form etwas Rassistisches hinter diesen Abenteuergeschichten zu sehen. Ich behaupte, gerade durch das Lesen dieser Bücher bin ich ein Mensch geworden, der Indianer, Türken oder welche Menschen auch immer, genauso schätzt Menschen aus dem Kulturkreis, aus dem ich komme.

 

In den Winnetou-Filmen ist doch das Verhältnis zwischen Winnetou und Old Shatterhand ein Paradebeispiel für Freundschaft zwischen den Kulturen (Blutsbrüderschaft). Diese gründet beispielsweise auf Werten wie Respekt, Achtung von Regeln innerhalb sozialer Gemeinschaften und Verlässlichkeit gegenüber dem anderen.

  

Ich habe in der Schule die Lieder "10 kleinen Negerlein" und "Lustig ist das Zigeunerleben" gelernt, und bin deswegen trotzdem kein Rassist geworden. Auch zu meiner Zeit gab es Kinder anderer Herkunft in der Klasse, wenn auch wesentlich weniger wie heute. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir damals einen Unterschied gemacht hätten. Kleinen Kindern ist es völlig egal, was für eine Hautfarbe, Religion oder Herkunft andere Kinder beim Spielen haben. Bei ihnen gibt es keinen Rassismus. Den bringen leider die Erwachsenen auf. Kinder müssen also frei von allen Vorurteilen erzogen werden!

 

Mir ist es auf gut Bayrisch gesagt Wurscht, ob jemand weiß, schwarz oder gelb ist! Mir ist es auch Wurscht, ob jemand Christ, Moslem oder Jude ist! Mir ist nicht wichtig, was jemand ist, sondern wie jemand ist! Mir ist wichtig, wie respektvoll jemand im Umgang mit Menschen, Tieren und Pflanzen ist, und ob er einen wertschöpfenden und nachhaltigen Beitrag für unsere Gesellschaft leistet, sofern ihm das möglich ist. Alle, die abgrenzen und spalten, schaden dem Wohl einer gesunden Gesellschaft. 

 

Immer mehr Schlauberger meinen, uns vorschreiben zu müssen, wie wir uns zu verhalten haben oder gar, was wir zu denken haben. Ist es nicht genau das, was wir an totalitären Regimen so verurteilen!

 

Nach den Terroranschlägen von Paris gab es im Radiosender Bayern 1 eine Sendung mit einem katholischen Priester, mit einem moslemischen Imam und einem jüdischen Rabbi, in der sie jeweils Witze über ihre eigene Religion erzählten. Ich habe mich gebogen vor lauter Lachen. Das war ein ganz fantastischer Aufruf an alle für mehr Toleranz!

 

Witze und Scherze machen das Leben lustig und sie sollten meiner Meinung nach Toleranz fördern und niemanden beleidigen. Das ist nun mal der ursprünglichste Sinn eines Witzes oder Scherzes; das Leben nicht immer nur ernst zu sehen. Was wäre ein Leben ohne Witze und Scherze. Da darf meiner Meinung auch gerne mal ein Klischee bedient werden. Was wäre die Welt ohne Gerhard Polt, Monika Gruber oder Günter Grünwald und all die anderen Kabarettisten? Witz bleibt Witz und Ernst bleibt Ernst!

 

Ach ja, sollte ich heuer irgendeinen Saupreußen oder Italiener auf dem Oktoberfest in einer Lederhose oder einem Dirndl antreffen, dann staubt's aber gewaltig - da fühl ich mich nämlich verarscht! Der kleine Bayer schüttelt leicht grinsend mit dem Kopf. Er weiß halt auch das Motto "Leben und Leben lassen!" zu schätzen.

 

Denen, die so einen Schmarrn verzapfen gebe ich einen guten Rat: "Versucht es mal mit anständiger Arbeit! Da hat man danach ein richtig gutes Gefühl, etwas Vernünftiges vollbracht zu haben. Und es hat noch einen weiteren Vorteil: Es hält einen von dummen Gedanken ab."

 

So, dann hätten wir dieses Thema auch ausführlich behandelt!

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Kommentare: 4
  • #1

    Inge (Sonntag, 04 September 2022 21:49)

    Lieber Wolfgang,

    SEHR gut geschrieben! Da stimme ich dir zu. Zusätzlich möchte ich bemerken, dass wir in D, in Europa, in der Welt sehr viel gravierende Probleme haben dessen Lösungen eigentlich esentiell wären.

    Geniesse trotzdem deinen Abend Grimaldo. Inge

  • #2

    Janine und co (Sonntag, 04 September 2022 22:06)

    Da sind wir ganz bei dir, es gibt so viel wichtiges zu tun ...es ist so traurig u j ämmerlich ... Kopfschüttel....

  • #3

    Wolfi (Montag, 05 September 2022 13:52)

    Hallo Inge,
    leider hat die breite Masse nicht so ein großes Sprachrohr. Sonst würde vieles anders laufen in unserem Land.
    Die Laune lassen wir uns auf keinen Fall verderben.
    Liebe Grüße

  • #4

    Wolfi (Montag, 05 September 2022 14:00)

    Servus Janine und Co,
    dass es viel wichtigeres zu tun gibt, ist auch klar. Aber in solchen Angelegenheiten geht es auch um eine grundsätzliche Haltung. Mir wird einfach zuviel verboten und draufgehauen, und das ohne vernünftige Argumente.
    Liebe Grüße